Interimsprothesen digital gefertigt

„Es war einmal eine Interimsprothese …“ – so fangen viele Schreckensgeschichten für Zahntechniker in der Ausbildung an. Wir schreiben das Jahr 2023. Die digitale Transformation schreitet voran. Ist es noch zeitgemäß, Interimsprothesen analog herzustellen? Ein Anwenderbericht über den Workflow mit der exocad DentalCAD Software im vFM Dentallabor.

Abb. 1: Situationsscan. Abb. 2: Virtuelle Extraktion der Zähne. Abb. 3: Virtuelle Aufstellung der Zähne. Abb. 4: Fertige virtuelle Konstruktion der Basis und der Zähne.

Bereits über 40 Prozent der Kunden unseres Hamburger Dentallabors arbeiten mit Intraoralscannern – und die Anzahl steigt stetig. Die Qualität der Daten von abgescanntem Weichgewebe bei attached Gingiva ist bereits sehr zuverlässig. Damit erweitert sich der Bereich der Indikationen immens. Zähne mit größerem Lockerungsgrad können ohne die Gefahr der vorzeitigen Extraktion durch die Abformung sehr gut dargestellt werden. Längst können teilbezahnte Kiefer für Modellguss sowie Interimsals auch Totalprothesen abgeformt werden. Gleichzeitig wächst die dafür notwendige Software kontinuierlich mit und bietet auf der zahntechnischen Seite inzwischen unzählige Tools, die uns Zahntechnikern unter die Arme greifen, um derartige Arbeiten digital umsetzen zu können. Daten aus nahezu allen Intraoralscannern (z. B. Primescan, iTero, Medit i700, iO-SCAN pro, …) können mit exocad DentalCAD verarbeitet werden. Für die Daten aus den TRIOS Intraoralscannern haben wir 3Shape-Systeme zur Verfügung und empfangen die Daten aus der entsprechenden Inbox.

Bisher haben wir die Intraoralscandaten weiterverarbeitet, indem wir schöne Modelle daraus gemacht haben: Die an den 3D-Drucker übermittelten Daten resultierten in entsprechenden Kunststoffmodellen. Diese wurden einartikuliert, die Zähne entsprechend radiert und die Interimsprothese hergestellt, wie sie auch analog auf einem Gipsmodell hergestellt wurde – nur mit einer entsprechenden Isolierung.

Nicht nur Modelle, Schienen und Löffel, sondern auch Langzeitprovisorien und Interimsprothesen kommen zunehmend aus dem 3D-Drucker.
Die bisherige Gleichung „Interimsprothesen = Monomergeruch + abgebrochene Gipszähne“ ist somit passé.

Neue Visualisierungsoptionen

Endlich kommt die Abhilfe! Ab DentalCAD® 3.1 Rijeka von exocad gibt es die Möglichkeit, Interimsprothesen inklusive der zu ersetzenden Zähne zu designen. Alle Konstruktionselemente lassen sich getrennt ausgeben. Somit entscheidet jetzt der Anwender: Will ich die Prothesenzähne drucken oder aus einem Multilayer Blank fräsen?

In der Stabilität stehen die gedruckten Zähne den Konfektionierten in nichts nach. Insgesamt 16 VITA-Farben sind als druckbare Harze verfügbar. Die Farbauswahl ist durch das Drucken bisher monochrom und dadurch stärker eingeschränkt, als bei den PMMA Multilayern in Rondenform für die CNC-Fräse.

Abb. 5 und 6: Gedruckte Prothesenbasis und gedruckte Zähne. Abb. 7: Fertige Prothese – bereit zum Einsetzen im Mund der Patientin. Abb. 8 Zähne gedruckt mit Prothesenbasis.

Stichwort Ressourcen

Im Sinne einer „grünen“ und umweltbewussten Zahntechnik sowie dem bewussten Umgang mit Rohstoffen sind wir an so wenig Materialverschwendung wie möglich interessiert. Überall wo es geht, sollen additive Verfahren die subtraktiven mit bis zu 85 Prozent Ausschuss durch das Wegschleifen oder -fräsen ersetzen.

In unserem vFM Dentallabor verwenden wir DLP-Drucker von Asiga, die uns exakte Ergebnisse in 50 μ-Schichten bescheren. Diese Open-Source-Drucker haben den Vorteil, dass die Fertigungsprozesse für die Materialien der Basis und die Zähne validiert sind und somit lege artis verarbeitet werden.

Das Postprocessing spielt eine wichtige Rolle in der Weiterverarbeitung druckbarer Materialien. Die dem Material entsprechende Art der Reinigung nach dem Druck und Endhärtung in speziellen Lichtöfen ist entscheidend für die Qualität des Produkts.

Zähne mit größerem Lockerungsgrad können ohne die Gefahr der vorzeitigen Extraktion durch die Abformung sehr gut dargestellt werden. Längst können teilbezahnte Kiefer für Modellguss sowie Interims- als auch Totalprothesen digital abgeformt werden.

Die Zahnfächer in der Basis erleichtern die exakte Positionierung der Zähne nach dem Drucken. „Verheiratet“ werden Basis und Zähne vor der Endpolymerisation mit demselben Kunststoff der Basis. Der leicht flexible Basiskunststoff ermöglicht, wenn gewünscht, die Fertigung der Basis ohne Metallklammern. Stattdessen werden die Klammern bis unter den prothetischen Äquator designt und aus dem rosa Basismaterial mitgedruckt.

Die zu extrahierenden Zähne werden vor Beginn der eigentlichen Konstruktion in der Software entfernt. Das macht exocad DentalCAD sehr gut, sodass hier kaum Nacharbeit nötig ist. Alle Zähne, die ersetzt werden sollen, werden als Teilprothese angelegt. Die CAM leitet durch den Workflow und im Expertenmodus können die Zähne extrahiert werden.

Die Modelle werden im exocad DentalCAD Add-on Modul Model Creator erstellt, beschriftet und mit Artikulationshilfen versehen. Auch in der BISS Dental Software Suite von PROMADENT lassen sich nahezu alle Formate laden und mit xSNAP Artikulatoren versehen. Bleiben wir im Workflow von 3Shape, werden die Daten aus dem TRIOS-Scanner im 3Shape Dental System verarbeitet sowie im Model Builder vollendet.

Fazit

Es ist spürbar, dass der digitale Wandel unser Handwerk verändert. Schon Auszubildende werden bei uns Schritt für Schritt an die digitale Gestaltung herangeführt, ohne den Fokus auf das Handwerk zu verlieren. Die Arbeit in der CAD/CAM-Abteilung übernimmt immer mehr Aufgaben und fordert tatsächlich auch räumlich immer mehr Platz für Geräte und Kollegen ein – ein weiteres Wachstum ist zu erwarten. Nicht nur Modelle, Schienen und Löffel, sondern auch Langzeitprovisorien und Interimsprothesen kommen somit zunehmend aus dem 3D-Drucker. Die bisherige Gleichung „Interimsprothesen = Monomergeruch + abgebrochene Gipszähne“ ist somit passé. Mit unserem Workflow zeigen wir: Es geht auch anders!

Bei Fragen sprechen Sie uns gerne an >> Kontakt

Hier können Sie den in der Zahntechnik Zeitung 9/2023 erschienenen Artikel herunterladen.

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